Editorial: Alles muss vernetzt sein?
Ein Smartphone, eine Uhr, ein Tablet, ein Laptop, ein Kühlschrank. Eines dieser Geräte mag nicht
so ganz in die Reihe passen. Welches dürfte klar sein: der Kühlschrank. Allerdings ist das gar nicht
mehr so richtig. Denn einige Hersteller sind dazu übergegangen, Elektrogeräte
wie Kühlschränke ganz bewusst mit Smartphone und Co. in einem Zusammenhang zu setzen.
Im Speziellen dann, wenn es um Smart Home geht, also die Heimvernetzung von Geräten.
Denn auch der Kühlschrank kann mit dem WLAN verbunden sein und bekommt damit zusätzliche Funktionen,
die mir den Alltag erleichtern sollen.
Mittlerweile sind viele Geräte im Haushalt miteinander vernetzt
Bild: teltarif.de
Wenn ich unterwegs bin, bekomme ich dann eine Nachricht von meiner Freundin UND meinem Kühlschrank, was noch im Gemüsefach fehlt? Ist das dann schon zu viel Vernetzung?
Ohne Vernetzung geht nichts mehr
Der intelligente Kühlschrank ist nur ein Beispiel. Aber es gibt ihn, beispielsweise stellte Samsung auf der IFA in Berlin seine smarten Haushaltslösungen vor. So ist ein vernetzter Kühlschrank des Herstellers aus Südkorea in der Lage, dem Nutzer eine Push-Nachricht auf das Smartphone zu schicken, wenn die Kühlschranktür offengelassen wurde. Als Technik-affiner Mensch finde ich das durchaus beeindruckend. Gegen den Fortschritt per se ist nun auch nichts einzuwenden.
Aber: Welche Rolle nehme ich überhaupt in diesem Ökosystem ein? Schließlich wird suggeriert, dass gerade ich von dieser Vernetzung profitieren soll. Zunächst halte ich die Plattformen am Leben, in dem ich sie mit Strom versorge, sie mit der Außenwelt verbinde und mit ihr interagiere. Erst muss ich etwas für sie tun, bevor sie meinen Alltag erleichtern sollen. Wir arbeiten also zusammen. Letztlich bin ich ein Bindeglied in diesem Ökosystem.
Auszeiten funktionieren so nicht
Wenn ich aber doch als besagtes Bindeglied in Erscheinung trete, dann kann ich mich in meiner Vorstellung gar nicht von den Geräten lösen, weil sie mich ja brauchen. Bildschirm-Auszeiten, Digital Wellbeing, Social Detox und Co. können so doch gar nicht mehr funktionieren. Ständig könnte ja etwas passieren, wo ich doch tätig werden muss.
Was passiert, wenn die Kühlschranktür tatsächlich offen steht, ich aber sämtliche Benachrichtigungen auf meinem Smartphone pausiert habe? Richtig, dann bleibt sie offen, bis ich irgendwann daran vorbeikomme und die Tür auch ohne explizite Aufforderung schließe. Es kann immer passieren, es ist ärgerlich, aber wie oft lässt jemand die Kühlschranktür auf? Ich kann nicht in jeden Haushalt hineinblicken und fragen, ob das zufällig jemand dokumentiert hat. Aber die Frage ist doch durchaus berechtigt.
Bei einigen smarten Funktionen muss man sich auch generell die Sinn-Frage stellen. Es klingt natürlich toll, wenn man die Waschmaschine per Smartphone bedienen kann. Aber wie sinnvoll ist es, wenn es nicht reicht, die Wäsche einzulegen und die Tür zu schließen, sondern die Waschmaschine dann auch noch für die Bedienung per Handy aktiviert werden muss. Kann man dann nicht gleich auch noch die zwei Sekunden Zeit investieren, um das Programm kurz einzustellen und anschließend auf Start drücken? Ich denke schon.
Grundsätzlich ist es ein Segen, wenn Software gut miteinander arbeitet. Per Drag-and-Drop Dateien oder Bilder von einem Tablet auf einen Laptop schieben, ist dafür nur ein Beispiel, mit dem die Arbeit am Computer erleichtert werden kann. Aber muss der Kühlschrank oder die Waschmaschine auf meinem Smartphone auch noch mitmischen?
Teurer Luxus?
Manches mag sinnvoll sein, beispielsweise die Kontrolle des Energieverbrauchs von Geräten und erweiterte Einstellungsmöglichkeiten. Und Menschen mit Beeinträchtigungen können von der Technik und den zusätzlichen Hilfen unter Umständen auch profitieren. Aber einen Hund mit einer auf dem Saugroboter installierten Kamera aus der Ferne zu verfolgen, erleichtert meiner Meinung nach nicht den Alltag, sondern verschreckt nur das Tier. Außerdem muss man sich die Vernetzung leisten können. Denn neueste Technik kostet Geld. Und ein vollvernetztes Domizil dürfte kein Schnäppchen sein.
Am Ende bleibt die Frage: Muss wirklich alles miteinander vernetzt sein? Ja und Nein. Ja, wenn es wirklich sinnvoll ist und nein, wenn nicht. Beides liegt allerdings im Auge des Betrachters.