1&1 gibt Einblicke in das Testlabor
Am 8.12.2023 ist das Mobilfunknetz von 1&1 in Montabaur offiziell gestartet worden. Am 24.04.2024 gewährte 1&1 einer Auswahl von Technik-Fachjournalisten Einblick in das Testlabor von 1&1-Mobilfunk in einem Gewerbegebiet von Ratingen bei Düsseldorf.
Ausführlich erläuterten 1&1-Mobilfunk-Chef Michael Martin und Joachim Groß, Chief Network Architect, den Aufbau und Funktion des Open RAN-Netzes von 1&1.
Versuchsnetz in Ratingen
Hinter einer abgesicherten Tür hat 1&1 ein Versuchsnetz aufgebaut, das nur im Gebäude mit eigener Netz-Kennung sendet und zum Testen von Netzwerkkomponenten und Endgeräten aufgebaut wurde. Damit sich diese Komponenten nicht gegenseitig stören können, wurden sie in entfernt an Kühlboxen erinnernden Kisten untergebracht, die nach außen HF-dicht sind, um sich nicht gegenseitig oder gar die Außenwelt zu stören.
Testen - testen - testen
Testhandys surfen und telefonieren andauernd im Testnetz. Funktioniert
Foto: 1&1 Mobilfunk
Wer ein neues Mobilfunknetz aufbauen will, muss testen, testen und nochmals testen. Bei 1&1 werden etwa 9000 verschiedene Handys mit dem Netz getestet.
In einer Testkammer aus Blech befinden sich Regale, auf denen unzählige Mengen von Smartphones mit SIM-Karte in Betrieb sind. Ab und zu klingelt das eine, dann das andere, ändern sich wie von Geisterhand Webseiten, die aufgerufen werden, leuchten Bildschirme auf.
Im Ruhezustand ist diese Blechkammer HF-Dicht und quasi luftdicht verschlossen. Kleine Antennen versorgen diese Kisten und Räume mit Funksignalen.
Alleine die Tests von Apple-Geräten, so war zu erfahren, waren sehr intensiv. Der Hersteller gibt eine große Anzahl von "Test Cases" vor, welche das Netz bestehen muss. Das wird mehrfach im Labor bei 1&1, dann beim Handyhersteller und schließlich nochmal im realen Wirknetz getestet. Deswegen, so berichten Insider, dürften die Geräte von Apple im Netz wohl am problemlosesten funktionieren.
Bereits bekannte Probleme
Aktuell bereits bekannte Probleme sind VoWiFi (Sprachtelefonie über WLAN), was nur bestimmte Gerätemodelle betrifft, ferner die teilweise falsche Erkennung des lokalen Internet-APNs beim Roaming im Ausland (und außerhalb von Frankreich) und die je nach Gerätemodell und Softwarestand möglicherweise falsche Reaktion auf die Abfrage von Rufumleitungen per USSD-Code. Alle genannten Probleme können insbesondere bei Geräten mit Android-basierten Betriebssystemen auftreten.
Sender und Signale
Zurück ins Testzentrum: Nach dem Raum mit den Gerätetests stehen im nächsten Raum Senderendstufen (RRU), die mit Dummy-Loads (künstliche Antennen) bestückt sind, wovon wiederum die Sendesignale abgegriffen und ausgewertet werden. Optische und elektrische Switche verteilen die Signale im Netzwerk.
Glasfaserleitungen (gelb) im Rechenzentrum. Hier sind die verschiedenen Server untergebracht.
Foto: 1&1 Mobilfunk
Im nächsten Raum wird es richtig laut. Dort stehen die verschiedenen Server-Typen, die 1&1 in seinem Open-RAN-Netz einsetzt, in einer Art von Regalwand. Geht man durch dies Anlage mitten durch, empfängt einen angenehme Kühle, wechselt man zur Rückseite der Server wird es stickig heiß, und die Lüfter der Dell- und "SuperMicro"-Server sind unangenehm laut.
Eine spezielle Klimaanlage sorgt dafür, dass die Temperaturen gewisse Grenzwerte nicht überschreiten.
Batteriepower für möglichst unterbrechungsfreien Betrieb
Ein weiterer Raum ist mit Bleibatterien gefüllt. Die Server laufen (für die Server-Branche zunächst ungewohnt) mit 48 Volt Betriebsspannung. Das ist auch die Ausgangsspannung der Batterien, somit können die Anlagen unterbrechungsfrei weiterlaufen, wenn einmal der Netz-Strom kurzzeitig ausfallen sollte. Sollte der Netz-Strom länger wegbleiben, reicht die Energie noch, um die Systeme kontrolliert herunterfahren zu können.
Umzug ins eigene Netz
Antennenanlage von 1&1. Oben sieht man die bei 1&1 typischen "Waffeleisen" für 3,6 GHz
Foto: 1&1 Mobilfunk
Vor rund einem Monat hat 1&1 begonnen, die Service-Provider-Kunden im Netz von o2-Telefónica auf das eigene Netz umzuziehen.
Wie geplant, können jede Nacht maximal 50.000 Kunden umgeschaltet werden, was 200.000 Kunden pro Woche bedeutet (es wird nur Mo-Di, Di-Mi, Mi-Do und Do-Fr portiert). Mehr Kunden verkraftet die Rufnummernportierungsdatenbank von T-Systems nicht. Somit sollten (rechnerisch) in etwa 60 Wochen alle 12 Millionen Kunden ins neue Kernnetz umgezogen sein.
Umzug über Nacht
Da von 1&1 und Drillisch seit einiger Zeit umschaltbare SIM-Karten ausgegeben wurden, reicht es, eine Steuer-SMS OTA (over the air) zu verschicken, um das neue Profil 262-23 zu aktivieren (das bisherige Profil für 262-07 oder 262-03 wird deaktiviert). Der Kunde muss dabei nur sein Handy über Nacht eingeschaltet lassen und wird dazu vorher per E-Mail informiert.
Neben der Steuer-SMS wird den 1&1- und Drillisch-Kunden die 5G-Netz-Funktion freigegeben (sofern das eigene Handy 5G beherrscht).
Im Hintergrund wird die bisherige Sprachmailbox im o2-Netz abgerufen, die Begrüßungsansage auf das eigene Mailbox-System von 1&1 hinüberkopiert, ferner werden alle bereits abgespeicherten oder noch nicht abgehörten Sprachnachrichten weitergeleitet.
Schließlich müssen noch alle Einstellungen wie gesetzte oder gelöschte Rufumleitungen übertragen werden oder Netz-Funktionen wie Anklopfen an/aus oder die Anzeige der eigenen Rufnummer (an/aus) ins neue System transportiert werden.
Der Kunde sollte davon im Idealfall nichts mitbekommen
In welchem Netz bin ich?
Wer wissen will, ob die eigene Karte schon im Netz von 1&1 angekommen ist, ruft auf seinem Handy einfach *135# an. Erscheint eine Fehlermeldung als Antwort, ist diese Karte noch nicht umgezogen, andernfalls würde die eigene Rufnummer angezeigt.
Infodienste der Netzbetreiber: Vodafone kennt 1&1 nicht
Als zweiten Test kann man im Telekom-("D1")-Netz die Kurzwahl 4387 anrufen und die fragliche Rufnummer eintippen. Zur Bestätigung die Sterntaste und nach Vorlesen der Rufnummer die "1" drücken. Das System sagt dann an, wo die Rufnummer geschaltet ist.
Im Vodafone-Netz ist die 12313 zu wählen. Dabei wird das Netz von 1&1 mit "die Rufnummer gehört zum Netz von - wenn Sie eine weitere Mobilfunkrufnummer..." ohne Netzname quittiert.
o2-Kunden können eine SMS an die Kurzwahl 4636 schicken, als Text wird "NETZ 01..." (mit der fraglichen Nummer) eingetragen. Einige Android-Geräte verwandeln die Adresse "4636" in "+494636", was zu Fehlern führt, was offenbar ein Bug im Android-System zu sein scheint.
5G für alle 1&1-Kunden
Martin erinnerte daran, dass das nationale Roaming im Netz von o2-Telefónica nur mit 2G- und 4G-Technik funktioniert hatte. Nach dem Abschluss des Roaming-Abkommens mit Vodafone, was von vorneherein 5G beinhaltete, wurde von Telefónica auch im o2-Netz die 5G-Funktionalität freigegeben.
Ist der Kunde ins Netz 262-23 migriert kann er auch die neuen Sender von 1&1 nutzen, sofern sein Endgerät mindestens 4G/LTE beherrscht. Selbst Nutzer sehr alter Mobiltelefone mit GSM-Technologie werden weiter bedient, sie roamen halt ausschließlich im Netz von o2-Telefónica und künftig im Netz von Vodafone.
Wenn von 1&1-Kunden die Rede ist, sind damit auch Kunden der unzähligen Untermarken von Drillisch Online (die zu 1&1 gehören) gemeint.
Wie geht es weiter?
Aktuell sendet 1&1 auf geliehenen Frequenzen von o2-Telefónica im Band 7 (LTE 2600) und auf Frequenzen im Band n78 (3600 MHz). Wenn die ersteigerten Frequenzen bei 2,1 GHz nutzbar sein werden, zieht 1&1 von 2600 auf 2100 MHz um, was eine leichte Verbesserung der Reichweite bedeuten könnte.
Beim Aufbau und Einschalten der Sendestandorte geht es langsam voran, es gibt aber immer noch Probleme. So müssen alle Standorte mit einer Glasfaser versorgt werden, die von der 1&1-Tochter Versatel kommt, teilweise nimmt auch Versatel Leitungen von anderen Lieferanten.
Dabei ist es vorgekommen, dass von der Turmgesellschaft Vantage Towers der Ausbau eines Standortes A angekündigt wurde, wo Glasfaser bereitgestellt wurde, dann aber ein Standort B vorzeitig fertig wurde, wo noch keine Glasfaser liegt.
Das Roaming-Abkommen mit Vodafone ist auf 5 Jahre angelegt und kann zweimal verlängert werden, ferner gibt es eine Karenzzeit von weiteren 3 Jahren, was also im Idealfall 18 Jahre umfassen könnte.
Open-RAN ist sparsam
Netzstruktur des energiesparenden Open-RAN-Netzes von 1&1
Grafik: 1&1 Mobilfunk
Messungen des TÜV ergaben, dass die verwendete ORAN-Technik weitaus energiesparender als die bisherige Single-RAN Technik sein kann, je verwendeten Geräten liege die Einsparung bei 10-30 Prozent.
Wie schon berichtet, braucht Open RAN keine "Baseband Unit" (BBU), wo die Signale für die Senderendstufen an der Antenne aufbereitet werden müssen. Die Aufgaben der BBU werden im sogenannten Far-Edge-Rechenzentrum ausgeführt, die dort laufenden Server betreuen somit mehrere Senderstandorte und sind dadurch energiesparender. Um zusätzliche Ausfallsicherheit herzustellen, sind die Standorte der Core Server und der sogenannten "Edge"-Rechenzentren "über Kreuz" vernetzt.
5G in allen Facetten möglich
Das neue Netz sendet bei 5G derzeit nur nach dem 5G-NSA-Protokoll. Es ist aber bereits für die zukünftige Ausstrahlung von 5G-SA-Signalen und später auch für 5G-Slicing (ein Netz im Netz für besondere Anwendungen und Anforderungen) vorbereitet. Wenn in ca. 6 Jahren die 6G-Technologie Einzug halten wird, sieht sich 1&1 dafür bereits heute gerüstet, da man beim Aufbau des aktuellen Netzes wertvolle Erfahrungen gewonnen habe.
Standorte mit Low-Band-Antennen vorbereitet
Alle Antennenstandorte werden schon beim Bau auf Frequenzen zwischen 700 und 900 MHz (Low Band: B28, B20, B8) vorbereitet (wofür 1&1 derzeit noch keine Frequenzrechte besitzt), ferner sind die Midband-Antennen für 2100 MHz (B1) und 2600 MHz (B7) ausgelegt. Die Highband-Antennen für 3600 MHz (n78) erinnern optisch an ein "Waffeleisen" und sind auch mit bloßem Auge von unten gut erkennbar.
1&1 ein gefragter Anbieter
Seit dem Netzstart des neuen Netzes kamen etwa 500.000 neue Mobilfunkkunden zu 1&1 dazu, die von vorneherein ins neue Netz 262-23 eingebucht werden. Wie viele Kunden 1&1 als Zweit- oder Dritt-Netz und wie viele es als ausschließliches Netz verwenden, ist nicht bekannt. Ein Nutzer erklärte gegenüber teltarif.de, dass er es "spannend" finde, beim Aufbau eines völlig neuen Netzes mit dabei zu sein. Wir werden weiter berichten.